Mittwoch, 4. Mai 2016

Selektive Wahrnehmung: Auch das Herz filtert.

aus nzz.ch, 4.5.2016, 13:47 Uhr

Hirnforschung
Warum wir unser Herz nicht schlagen hören
Das menschliche Gehirn unterdrückt die Sinneseindrücke des eigenen Herzschlags, wie Lausanner Forscher herausgefunden haben. Das hilft dem Gehirn, die Aussenwelt ungestört wahrzunehmen – hat aber einen Preis. 

(sda) Meistens spüren wir unser Herz nicht schlagen. Verantwortlich ist eine Filterfunktion des Gehirns, wie ein Wissenschafterteam der ETH Lausanne (EPFL) im Fachjournal «The Journal of Neuroscience» berichtet. Die Forschenden hätten entdeckt, dass eine bestimmte Hirnregion darüber entscheidet, wie äussere und innere Sinneseindrücke zusammenspielen, schrieb die EPFL am Mittwoch in einer Mitteilung.



Den Wissenschaftern fiel auf, dass das menschliche Denkorgan visuelle Reize weniger effizient verarbeitet, wenn sie zeitgleich mit dem Herzschlag auftreten. «Wir sind nicht objektiv und wir sehen nicht alles, was auf unsere Netzhaut trifft, wie eine Videokamera», liess sich Studienautor Roy Salomon in der Mitteilung zitieren.

Das Herz beeinflusst, was wir sehen

Das Gehirn entscheide, welche Informationen ins Bewusstsein dringen sollen. «Aber überraschend ist, dass auch unser Herz beeinflusst, was wir sehen», so Salomon weiter.

Die Forschenden zeigten mehr als 150 Freiwilligen eine achteckige Form, die auf einem Bildschirm aufblinkte. Wenn das Bild gleichzeitig mit dem Herzschlag blinkte, hatten die Probanden mehr Mühe, die Form zu erkennen.

Anschliessend wiederholten die Wissenschafter das Experiment in einem Hirnscanner. Blinkte die Form nicht im Rhythmus des Herzschlags, funktionierte eine bestimmten Hirnregion, die sogenannte Inselrinde, normal, und die Probanden hatten keine Probleme, die Form zu erkennen.

Leuchtete das Bild im Takt mit dem Herzschlag auf, war die Inselrinde viel weniger aktiv, und die Teilnehmenden waren sich der Form, die sie sahen, weniger oder sogar gar nicht bewusst. Offenbar ist das die Kehrseite davon, dass das Hirn die Wahrnehmung des Herzschlags unterdrückt: Wir sind in diesem Moment auch weniger empfänglich für andere Sinneseindrücke.

Sinnvoller Filter

Interne Reize sollten nicht die Wahrnehmung äusserer Reize stören, sagte Salomon. «Da unser Herz schon schlug, als sich unser Gehirn noch formte, waren wir dem Herzschlag schon vom Beginn unserer Existenz an ausgesetzt.» Es sei daher nicht überraschend, dass das Gehirn die Wahrnehmung des Herzens grösstenteils unterdrücke.

Dass diese Filterfunktion Sinn ergibt, zeigt sich auch, wenn sie nicht richtig funktioniert. Sich des eigenen Herzschlags bewusst zu sein, hänge mit einer Reihe psychologischer Probleme zusammen, schrieb die EPFL.

Beispielsweise nehmen Patienten mit Angststörungen ihren Herzschlag viel deutlicher wahr als andere. Aber auch Personen ohne solche Probleme können ihren Herzschlag spüren, wenn sie zum Beispiel grosse Aufregung oder Angst erleben.

Ob Angststörungen Ursache oder Folge einer defekten Filterfunktion sind, sei indes nicht klar. «Wir wissen nur, dass wir uns meistens unseres Herzschlags nicht bewusst sind und dass eine bestimmte Hirnregion dafür zuständig ist, seine Wahrnehmung zu unterdrücken», so Salomon.


Nota. - Wir wissen, dass das Merken in zeitlichen Intervallen geschieht - der für uns selbstverständliche, aber unbegreifliche Unterschied von bewusst und unbewusst beruht darauf. Auch hier haben wir es mit ein Rhythmisierung des Für-wahr-Nehmens zu tun. Ist Rhythmus überhaupt eine Determinante unserer Geistigkeit? Verhalten sich unregelmäßige zu regelmäßigen Rhythmen u8ngefaähr so wie Dissonanzen zu Harmonien?
JE




Nota - Obige Bilder gehören mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

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