Montag, 5. Oktober 2015

Sie haben doch nicht etwa Rasse gesagt?

aus nzz.ch, 14.9.2015, 19:06 Uhr

Populationsgenetik
Von Land zu Land verschieden gross
Die durchschnittliche Körpergrösse und der Body Mass Index unterscheiden sich von Nation zu Nation. Forscher haben untersucht, inwieweit Variationen im Erbgut diese regionalen Unterschiede erklären.

AJa. Wer an die Bevölkerung Nordeuropas denkt, stellt sich vermutlich eher grosse Menschen vor, und bei Südeuropa eher kleinere. Tatsächlich unterscheiden sich die Durchschnitts-Körpergrössen, und auch der durchschnittliche Body-Mass-Index (BMI) von Nation zu Nation. Inwieweit das durch genetische Unterschiede oder verschiedene Umwelteinflüsse zustande kommt, ist grösstenteils unklar. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Peter Visscher von der University of Queensland in Australien hat nun die genetische Grundlage solcher Unterschiede untersucht .¹ Hierfür werteten sie die Daten aus sogenannten Genom-weiten Assoziationsstudien aus, die Informationen über das Erbgut sowie Körpergrösse und BMI gesammelt hatten.

Genvarianten mit Einfluss

Sowohl Körpergrösse als auch die Tendenz zur Gewichtszunahme sind komplexe Eigenschaften, die durch die Summe einer Vielzahl individueller Varianten im Erbgut beeinflusst werden. Um diese Varianten ausfindig zu machen, analysierten die Forscher Daten von über 250 000 Personen sowie von 17 500 Geschwisterpaaren. Da Letztere 50 Prozent ihres Erbguts teilen, erlauben deren Daten, abzuschätzen, wie stark der genetische Einfluss auf Körpergrösse und BMI im Vergleich zu Umweltfaktoren ist. Anhand dieser Analyse schätzten die Wissenschafter ab, dass durchschnittlich 24 Prozent der Variationen in der Körpergrösse sowie 8 Prozent des BMI durch genetische Varianten erklärbar sind.

Mit der aus dieser ersten Analyse erstellten Liste von Genvarianten, die mit Körpergrösse oder BMI zusammenhängen, untersuchten die Forscher, ob diese auch die Unterschiede von Nation zu Nation erklären können. Tatsächlich fanden die Forscher regional typische Kombinationen dieser Varianten.

Zufall oder Selektion?

Diese Unterschiede könnten durch zufällige Prozesse entstanden oder durch natürliche Selektion getrieben worden sein. Mithilfe von Computermodellen errechneten die Wissenschafter, welche dieser beiden Möglichkeiten die beobachteten populationsgenetischen Unterschiede von Nation zu Nation besser erklären. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass diese Unterschiede nicht rein zufällig entstanden, sondern durch natürliche Selektion beeinflusst worden seien, wie die Forscher schreiben.

Weitere Analysen ergaben, dass genetische Varianten, die einen höheren Wuchs begünstigen, gehäuft mit jenen auftreten, die mit einem eher niedrigen BMI zusammenhängen. Die Bevölkerung eines Landes mit einer durchschnittlich grossen Körpergrösse neigt demnach weniger zu Übergewicht. Dass man sich einen Nordeuropäer eher gross und schlank vorstellt, ist also nicht ganz abwegig. Allerdings besteht dieser Zusammenhang zwischen niedrigem BMI und grosser Statur nur, wenn man Populationen miteinander vergleicht. Auf der Ebene des Einzelnen besteht nahezu keine Korrelation zwischen der Körpergrösse und dem BMI, wie die Forscher betonen.

¹ Nature Genetics, Online-Publikation vom 14. September 2015


aus derStandard.at, 14. September 2015, 18:45

Große Niederländer, kleine Portugiesen
Forscher gingen Unterschieden in der Größe und dem Gewicht von Europäern nach

von Renate Degen

Brisbane – Die Körpergröße und der Body Mass Index (BMI) können im Ländervergleich sehr unterschiedlich ausfallen. Während Niederländer im Durchschnitt 175 Zentimeter groß sind, bringen es Portugiesen gerade einmal auf durchschnittliche 166 Zentimeter. Auch beim BMI unterscheiden sich diese beiden Länder um 0,8 Einheiten. Ob genetische Faktoren oder Umwelteinflüsse jeweils mehr zu diesen Unterschieden beitragen, war bis dato nicht geklärt.

Ein internationales Wissenschafterteam um Peter Visscher (Uni Brisbane) analysierte nun Größe und BMI von 9400 Personen aus 14 europäischen Ländern. Beide Eigenschaften unterlagen den Ergebnissen zufolge über viele Generationen hinweg natürlicher Selektion, was zu genetischen Unterschieden zwischen den Ländern führte.
Die genetischen Unterschiede konnten im Durchschnitt 24 Prozent der Variation der Körpergröße, aber nur acht Prozent der Variation beim BMI erklären. Hierbei scheinen Umweltfaktoren, wie die regional sehr unterschiedliche Ernährung, eine größere Rolle zu spielen.
Ein weiteres Ergebnis der Studie im Fachblatt "Nature Genetics": Gene die für Längenwachstum sorgen, scheinen an Gene für einen schlankeren Körperbau gekoppelt zu sein – Länder mit größeren Einwohnern, wie eben die Niederländer oder die Skandinavier, haben also aller genetischen Wahrscheinlichkeit nach auch dünnere Einwohner. 

Nota. - Nein, Rasse haben sie wirklich nicht gesagt. Körpergröße und BMI sind sehr, sehr allgemeine Merkmale, und selbst die, so augenfällig sie sind, sind nur ein einem geringen Umfang 'populationsgenetisch' bestimmt. (Bei der Hautfarbe wird es mehr sein). Es ist ein methodisch völlig anderes Verfahren als bei der 'Rassenkunde': Die muss, wenn das Wort Rasse einen Sinn haben soll, von ursprünglich reinen Rassen ausgehen - und dann deren Weiterentwicklungen durch Kreuzung und Selektion verfolgen. Und wie man es dreht und wendet - eine 'reine' Rasse a priori so durch 'Merkmale' zu bestimmen, dass es nicht von vornherein tendenziös ist, wird kaum möglich sein; ist doch Reinheit selber wertbehaftet! Damit ist nicht nur keine Erkenntnis gewonnen, sondern der Zugang zu Erkenntnis erschwert.

Die genetische Analyse braucht aber vorab keine 'Merkmale' festzusetzen. Sie hat einen quantitativen Rahmen, die Population eines Gebiets, und in dem kann sie rein empirisch forschen. Diese Möglichkeit hatten die Rassenkundler früherer Tage nicht. Sie mussten vorab spekulieren. Und sie hatten keine wissenschaftliche Bremse, die das Abgleiten in den Rassismus verhindert konnte; ich meine: wenn sie das gewollt hätten.

Das Reden von Menschenrassen mag politisch unkorrekt sein, aber das spielt wissenschaftlich keine Rolle. Es ist aber wissenschaftlich nicht vertretbar. In welchem Sinne wollte man es sonst vertreten? 
JE


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