Samstag, 11. April 2015

Wird das Licht ein Mysterium bleiben?

aus Der Standard, Wien, 8. 4. 2015

Das Wesen des Lichts und die Grenzen der Wissenschaft
Seit 110 Jahren dominieren Albert Einsteins Theorien unsere Vorstellungen über das Licht. Noch immer bleiben viele Fragen ungeklärt.

von Tanja Traxler

Wien - Was ist Licht? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die Geistesgeschichte der Menschheit. Und wenngleich die Wissenschaft schon einiges über das Licht herausgefunden hat, birgt es immer noch viele ungelöste Fragen. Die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) hat das Jahr 2015 dem Licht gewidmet - ein Anlass, dem alltäglichen wie unbekannten Phänomen nachzugehen.
Schon die antiken Denker versuchten, das Wesen des Lichtes zu ergründen und stellten widersprüchliche Theorien zum Sehen auf. Während Empedokles das Auge mit einer Laterne verglich, das Lichtstrahlen aussendet und so zur Wahrnehmung fähig ist, gingen andere davon aus, dass sich beim Sehen minimale Schichten der Gegenstände ablösen und ins Auge eintreten.
Der Vater der naturwissenschaftlichen Methode war schließlich einer der Ersten, der versuchte, die Geschwindigkeit des Lichts zu messen. Galileo Galilei blieb zumindest dabei aber erfolglos - seine Apparaturen waren schlicht zu ungenau.


Mitte des 17. Jahrhunderts erzielte der dänische Astronom Olaf Römer einen wichtigen Durchbruch, indem er nicht nur die Lichtgeschwindigkeit auf bis zu 30 Prozent genau messen konnte, sondern vor allem, indem er damit nachwies, dass sich Licht mit endlicher Geschwindigkeit bewegt.
Schon damals zeigte sich, dass Licht in der modernen Naturwissenschaft einen besonderen Stellenwert einnimmt: Es trägt gewissermaßen eine Doppelfunktion, indem es zugleich Gegenstand der Forschung wie auch deren notwendiges Hilfsmittel ist.

Doppelrolle

"Licht ist immer schon notwendig, um zu erkennen. Zugleich ist es ein Gegenstand, der erkannt werden soll", sagt der Astrophysiker Thomas Posch von der Universität Wien. "Möglicherweise ist in dieser erkenntnistheoretischen Doppelfunktion angelegt, dass es schwierig ist, sich der Natur des Lichts zu nähern." Tatsächlich zählt Licht wohl zu den Lieblingsstreitthemen der Wissenschaft.
Schon im 17. Jahrhundert gerieten darüber der englische Naturforscher Isaac Newton und der niederländische Astronom Christiaan Huygens aneinander. Während Newton, der als Begründer der klassischen Mechanik als wissenschaftliches Schwergewicht galt, die These vertrat, dass sich Licht aus Teilchen zusammensetzt, begründete Huygens die Wellentheorie des Lichts.
Auf den ersten Blick widersprechen diese beiden Modelle einander, was sich etwa darin zeigt, dass Teilchen stets an einem bestimmten Ort im Raum lokalisiert sind, wohingegen Wellen räumlich ausgedehnt sind. Ein Konsens schien daher unmöglich, zumal in der Naturwissenschaft immer versucht wird, "alles auf Eindeutigkeit und Widerspruchsfreiheit hinzutrimmen", sagt Posch.
Im 18. Jahrhundert mehrten sich die experimentellen Indizien dafür, dass Licht eine Welle ist, und bestätigten Huygens Thesen posthum. Spätestens das sogenannte Doppelspalt-Experiment, das der englische Augenarzt und Physiker Thomas Young 1802 durchführte, verhalf der Wellentheorie endgültig zum Durchbruch. Young nützte darin eine wichtige Eigenschaft von Wellen aus, die sie gegenüber Teilchen auszeichnen: die Möglichkeit der Überlagerung.
Ein weiterer Durchbruch in der Beschreibung des Lichts gelang dem schottischen Physiker James Clerk Maxwell vor ziemlich genau 150 Jahren. Er fand heraus, dass Licht ein Spezialfall eines allgemeineren Phänomens ist: der elektromagnetischen Strahlung.
Maxwells Modell überzeugte durch die Eleganz seines mathematischen Formalismus und die Vielzahl der experimentellen Befunde, die damit beschrieben werden konnten. Dennoch war damit das letzte Wort in der Erforschung des Lichts noch nicht gesprochen. Mit seiner Erklärung des sogenannten photoelektrischen Effekts, bei dem unter Einstrahlung von Licht Elektronen aus einer Metallplatte gelöst werden, brach Albert Einstein 1905 erneut eine Lanze für die Teilchentheorie des Lichts. Zwar schrieb er dem Licht Welleneigenschaften wie Wellenlängen zu, er schlug aber auch vor, dass Licht aus unteilbaren Paketen, den Lichtquanten genannten Photonen, zusammengesetzt ist.

Zugleich Teilchen und Welle

Der Welle-Teilchen-Dualismus des Lichts war damit begründet und Newton und Huygens damit doch noch in einem Konzept vereint: Seit Einstein gehen die Physiker davon aus, dass Licht eine Doppelnatur hat - in bestimmten Phänomenen tritt eher sein Wellencharakter in Erscheinung, in anderen seine Teilchennatur.
In den darauffolgenden Jahren erkannten die Physiker in der Quantenphysik, dass nicht nur Licht dem Welle-Teilchen-Dualismus unterliegt, sondern dieser ebenso ein grundlegendes Prinzip für Teilchen mit Masse ist. So hatte die Frage "Was ist Licht?" auch Anteil an der Geburtsstunde der Quantenphysik. In seiner Allgemeinen Relativitätstheorie zeigte Einstein zudem vor 100 Jahren, dass es sich bei der Lichtgeschwindigkeit um eine Maximalgeschwindigkeit handelt: Kein materielles Teilchen kann sich schneller bewegen.
Der Welle-Teilchen-Dualismus gilt immer noch als die aktuelle Theorie, und sie schafft ebenso viele neue Erkenntnisse, wie sie offene Fragen hinterlässt. Zunächst besteht das Problem, dass Einsteins Theorie kein anschauliches Bild von Licht zulässt. "Bis heute beißen sich die Leute am Dualismus die Zähne aus", sagt Posch.
Weiters sind da Dunkle Energie und Dunkle Materie, die 95 Prozent des Universums ausmachen. "Sie sind möglicherweise Daseinsformen, die mit Licht offenbar nicht in eine uns bekannte Wechselwirkung treten", sagt Rolf Heilmann, Professor für Physik und Photonik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München, der 2013 ein Buch über Licht veröffentlicht hat. "Insofern ist das Licht, das wir kennen und nutzen, vielleicht nur eine Existenzform von etwas Unbekanntem, das wir in seiner Ganzheit noch erforschen müssen."
Obwohl noch so vieles über das Licht nicht verstanden ist, laufen moderne Kommunikationstechnologien auf Basis von Lichttechnologie. "Wir benutzen Bilder, die wir nicht bis ins Tiefste verstehen, und sind bei der Anwendung von Licht dennoch sehr erfolgreich", sagt Heilmann. So führt uns das Nachdenken an Licht über Grenzen dessen, was wir überhaupt verstehen können. Heilmann: "Licht erinnert uns daran, dass man nicht alles in der Welt verstehen kann."


Nota. - Unter Verstehen versteht er offenbar: als Wirkung einer Ursache erklären können. Einen Anfang kann es dann nicht geben, und etwas, das von Anfang an so ist, wie es ist, schon gar nicht. Es ist wahr, dass das unsere Vorstellungskraft überfordert. Die hat sich in Millionen Jahren in unserem Mesokosmos ausge- bildet, wo tatsächlich alles, was ist, auf Ursachen zurückführbar ist; oder doch, vorsichtiger gesagt, für jeden Zustand, der ist, ein Zustand nachweisbar ist, der vor ihm da war. Für das, was im Mikrokosmos vor- geht, ist unsere Vorstellungskraft ebensowenig ausgerüstet und eingerichtet, wie das, was im Makrokomos vorgeht; und schon gar nicht für den Urknall, wo die beiden eins waren und ein Mesokosmos noch gar nicht existierte.
JE 


Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.

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