Freitag, 19. Dezember 2014

Träumen und spielen.

aus Der Standard, Wien, 17. Dezember 2014, 17:10                                                                        Links im Bild versucht eine Neukaledonische Krähe ein würfelförmiges Spielzeug in ein vertikales Rohr zu stecken. Rechts ist ein Goffini-Kakadu mit einem Spielzeug zugange

Wenn Vögel wie Kleinkinder spielen
Studie zeigt, dass manche Papageien- und Krähenarten Spielsachen gezielt kombinieren, was als Vorläufer für Werkzeuggebrauch gelten kann

Wien - Die Art, wie Objekte spielerisch gehandhabt und miteinander kombiniert werden, sagt so einiges über die kognitiven Eigenschaften des Spielers aus. Spielzeugkombinationen – wie zum Beispiel Objekte aufeinander zu türmen – sind Vorstufen technisch komplexer Verhaltensweisen, wie sie auch beim Werkzeuggebrauch vorkommen. Spielen Tiere mit Gegenständen, die für sie nicht als Nahrung in Frage kommen, kann dies als Vorläufer für funktionales Verhalten sowie Werkzeuggebrauch und andere zielgerichtete Manipulation von Gegenständen in ihrer Umgebung gesehen werden.

Ein internationales ForscherInnenteam um Alice Auersperg vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien hat sich diesen Zusammenhang zunutze gemacht und einigen Papageien- und Krähenarten "Spielsachen" gegeben. Dabei fanden die Wissenschafter heraus, dass die Vögel bereitwillig Objekte in komplexe räumliche Zusammenhänge brachten: Verhaltensweisen, die nur bei wenigen Arten von Primaten vorkommen.

Besonders aufschlussreich für die Wissenschafter sind sogenannte kombinierende Objekthandlungen: Kinder beginnen im Alter von etwa acht Monaten, zwei Gegenstände zusammenzuschlagen. Mit zehn Monaten kombinieren sie Dinge mit anderen Elementen ihrer Umgebung. Sie stecken dann etwa Objekte in Öffnungen oder Ringe auf einen Pol. Nach dem zweiten Lebensjahr fangen sie in der Regel an, Gegenstände als Werkzeuge zu benutzen, um etwa an ein begehrtes Ziel zu kommen.

Vögel am Spielplatz

Um das Spielverhalten von Papageien und Rabenvögeln zu untersuchen, boten Forscher der Uni Wien, der Veterinärmedizinischen Universität Wien, den Universitäten Oxford und St. Mary in London sowie vom Max Planck Institut in Seewiesen (Deutschland) Gruppen aus insgesamt neun Papageien- und drei Krähenarten dasselbe hölzerne Kleinkindspielzeug sowie einen eigenen Spielplatz mit mehreren Rohren und Löchern zum Hineinstopfen sowie Pole zum Ringe-Aufstecken an. "Es haben alle Arten mit dem Spielzeug in irgendeiner Form interagiert", erklärte Studienleiterin Alice Auersperg vom Department für Kognitionsbiologie der Uni Wien.


Komplexe Kombinationen von Objekten waren jedoch bei Neukaledonischen Krähen, bei Goffini-Kakadus sowie schwarzen Palmkakadus und Keas bei weitem am häufigsten zu beobachten. Die Krähen verwenden Werkzeuge auch in der Wildnis, und auch Palmkakadus können als "geborene Werkzeugverwender" gesehen werden, so die Forscherin. Bei Goffini-Kakadus und bei Keas wiederum ist Werkzeuggebrauch zwar nicht angeboren, beide Arten haben aber auch in Experimenten der Wiener Wissenschafter wiederholt ihre Fähigkeiten zum Werkzeuggebrauch und ihre technische Intelligenz unter Beweis gestellt.

Spielen und technische Begabung

Bisher wurden solche spielerischen Objektkombinationen und in der Folge innovativer Werkzeuggebrauch vor allem bei Kapuziner- und großen Menschenaffen beobachtet. Auch bei diesen handelt es sich "um die typischen komplexen Werkzeugverwender unter den Primaten", so Auersperg. "Unsere Studie unterstützt die Ansicht, dass Spezies, die im Spiel bereitwillig Objekte in komplexe räumliche Zusammenhänge bringen, auch eher flexible und innovative Lösungen für neue technische Herausforderungen bringen", so der Kognitionsbiologe Thomas Bugnyar von der Universität Wien. (APA/red, derStandard.at, 17.12.2014)

Abstract
Journal of Animal Behaviour and Cognition: "Unrewarded object combinations in captive parrots"


Nota. - "Spielen Tiere mit Gegenständen, die für sie nicht als Nahrung in Frage kommen, kann dies als Vorläufer für funktionales Verhalten sowie Werkzeuggebrauch und andere zielgerichtete Manipulation von Gegenständen in ihrer Umgebung gesehen werden." Kann dies... Oder auch nicht. Es kann nämlich auch als der Beweis angesehen werden, dass schon die Tiere mehr in ihrem Verhaltensrepertoire haben, als was zur bloßen Erhaltung des Individuen und der Art unerlässlich ist. Als der Beweis, dass 'die Natur' keine Haus- hälterin ist und sich mit Freuden verschwendet, wenn das Nötige einmal erledigt ist. Dass also Spiel und Kunst ganz in ihrem "Plan" lagen und zehn Jahrtausende Arbeit ("Werkzeuggebrauch") nur ein beschwer- licher Umweg dahin waren.

Spiel und Kunst, die sind das Ästhetische. Es geht also nicht mehr darum, zu verstehen, wie es zu solchem Verhalten überhaupt kommen konnte. Wir müssen nur noch die Bedingungen einsehen lernen, unter denen es habituell werden konnte - bei Homo sapiens nämlich, denn nur das ist es, was ihn von den Tieren unter- scheidet; und nicht etwas, das er "kann" und sie nicht. Also die Voraussetzungen aufsuchen, unter denen er etwas behalten konnte und nicht bei Null immer wieder ganz von vorn anfangen muss.
JE



1 Kommentar:

  1. ja, das Habituell-werden ist das Entscheidende. Habituell wird es, wenn es kultiviert wird.
    Als Jane Goodall seinerzeit ihrem Prof. in England berichtete, sie haben Schimpansen beobachtet, die Zweige abbrachen, um Termiten zu ngeln, glaubte dieser fälschlicherweise, wir müssten den Werkzeugbegriff revidieren

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