Sonntag, 14. September 2014

Evolution des Lachens.

Rembrandt als Demokrit,  1629
aus Die Presse, Wien, 14. 9. 2014

Warum Lachen ansteckend ist
"Gelächter ist sexy", sagt der Psychologe Robert Provine. Und es ist ansteckend. Woher kommt dieses Verhalten? Und haben es nur Menschen?

 

Auch wenn es manchen Gender-Dogmatikern nicht gefallen wird (und dem Vizepremier der Türkei unsittlich vorkommen mag) – unter den offenbar nicht nur durch die Kultur geprägten Unterschieden zwischen Männern und Frauen ist dieser: Frauen lachen häufiger als Männer. Dafür bringen Männer häufiger Frauen zum Lachen als umgekehrt. Es ist kein Zufall, dass es viel mehr männliche Kabarettisten als Kabarettistinnen gibt, und dass der Klassenkasperl in Schulklassen meist ein Bub ist. Auch in Kontaktanzeigen beschreiben sich Männer häufiger als humorvoll, während Frauen nach ebendieser Eigenschaft suchen: Sie wünschen sich einen Mann, der sie zum Lachen bringt.

„Gelächter ist sexy“, schreibt der Psychologe und Neurowissenschaftler Robert Provine in seinem Buch „Ein seltsames Wesen“: „Frauen, die Männer anlachen, reagieren damit nicht nur auf deren komödiantische Fähigkeiten. Sie finden Männer, von denen sie zum Lachen gebracht werden, auch attraktiv, und Männer mögen Frauen, die in ihrer Gegenwart lachen.“ Diese Asymmetrie ist wohl aus einer grundlegenderen Asymmetrie zu erklären: dass Frauen – auch wenn es nicht immer so aussehen mag und in manchen Kulturen systematisch unterdrückt wird – die Wählenden sind und Männer die für sich Werbenden.

Lachepidemien. Das soll nicht heißen, dass Lachen nur der Partnerwahl dient! Es ist ein viel breiteres soziales Signal, man denke nur daran, wie eine ganze Abteilung willfährig lacht, wenn der Chef (oder auch die Chefin) einen Witz erzählt. Wir lachen auch, wenn andere lachen. „Das Lachen gehört zu den im hohen Grade ansteckenden Äußerungen psychischer Zustände“, schrieb Sigmund Freud 1905 in „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“. Man kann das bei Sitcoms im Fernsehen überprüfen: Ob wir es wollen oder nicht, das zugespielte Lachen aus der Konserve erhöht unsere Lachbereitschaft. Ohne es fänden wir z.B. manche One-Liner Sheens in „Two And a Half Men“ gar nicht so lustig. 1962 kam es in Tanganjika (heute: Tansania) gar zu einer Lachepidemie, ausgelöst am 30.Jänner von drei Schülerinnen einer Mädchenschule. Das Lachen breitete sich aus, am 18.März musste die Schule geschlossen werden, da an Unterricht nicht mehr zu denken war.


Die Epidemie dauerte bis in den Sommer. Immerhin gab es keine Todesfälle – im Gegensatz zum Sketch „The Funniest Joke in the World“ der britischen Komikergruppe Monty Python: Es geht um einen Witz, der so lustig ist, dass jeder, der ihn hört, sich totlacht. Die britische Armee lässt diesen Witz ins Deutsche übersetzen, um ihn als Kriegswaffe zu verwenden. Dabei wird für jedes Wort ein anderer Übersetzer verwendet, um Verluste in den eigenen Reihen zu vermeiden...

Was muss das wohl für ein Witz gewesen sein? Egal. Seltsamerweise ist die Heftigkeit des Gelächters nicht proportional zur Witzigkeit eines Witzes (wie immer man diese definieren mag). Mehr noch: Es muss nicht einmal ein Witz sein. Provine hat bei heimlichen Beobachtungen herausgefunden, dass das Gelächter in Gesprächen meist keine Reaktion auf Witze oder Anekdoten ist. „Unser Leben ist voll von eingespieltem Gelächter in der sicherlich schlechtesten Sitcom der Welt“, konstatiert er, und: „Lachen hat mehr mit Beziehungen als mit Humor zu tun.“

Woher kommt diese universelle Lautäußerung? Und ist sie exklusiv menschlich? Lachen etwa Schimpansen auch? Ja, aber es klingt nicht so: Wenn junge Schimpansen gekitzelt werden oder herumtollen, dann zeigen sie die unteren Zähne (nicht die oberen) und geben ein hechelndes Geräusch von sich, das Charles Darwin schon als Lachen interpretiert hat: „Wenn junge Schimpansen gekitzelt werden – in den Achselhöhlen sind sie dafür sehr empfindlich, so wie unsere Kinder –, wird ein kichernder oder lachender Laut geäußert“, schrieb er in „The Expression of the Emotions in Man And Animals“. Darwin bewies damit Fantasie, denn das Hecheln klingt so gar nicht wie menschliches Lachen, eher nach einem Asthmaanfall. „Ein Mensch, der mit einem schimpansenartigen Lachen geschlagen ist, dürfte Schwierigkeiten haben, Dates zu arrangieren, einen Tisch in einem guten Restaurant zu bekommen oder für ein hohes politisches Amt zu kandidieren“, schreibt Provine.

So ist die evolutionäre Vorstufe des Lachens das rhythmische Hecheln beim körperlich anstrengenden Spielen. Irgendwann wurde dieses Geräusch bei unseren äffischen Vorfahren ritualisiert. Wer hechelt, sagt damit: Ich spiele (nur), ich tu dir nichts. Dass sich aus dem Hecheln das Lachen entwickelte, wurde – wie die Sprache – durch den aufrechten Gang möglich. Bei Affen, die auf allen vieren gehen, ist Atmung und Laufen synchronisiert: ein Atemzug pro Schritt. Bei uns Zweibeinern sind Gehen und Atmen entkoppelt, und mehr noch: Wir können nicht nur einen Laut pro Atemzug produzieren. Das ermöglicht uns das Sprechen und das Lachen.

Ha-ha-ha, he-he-he, hi-hi-hi oder ho-ho-ho, die Unterschiede sind subtil und noch zu erforschen (so wie die Frage, ob Kichern nur ein Spezialfall des Lachens ist), der Rhythmus ist immer ähnlich: kurze Silben, die sich in Abständen von ungefähr einer Fünftelsekunde wiederholen. Wenn jemand schneller oder langsamer lacht, klingt das gekünstelt. Überhaupt können wir recht gut zwischen echtem und falschem Lachen unterscheiden; und den meisten fällt es schwer, auf Kommando zu lachen. Noch schwerer allerdings ist es, absichtlich zu weinen. Beide Lautäußerungen müssen wir nicht lernen: Das laute Weinen (ohne Tränen) aber beherrschen schon Neugeborene (es ist auch lebensnotwendig für sie), das Lachen entwickelt sich erst drei bis vier Monate später.

Das erste, das ursprünglichste Lachen ist die Reaktion auf das Gekitzeltwerden. So nennt Provine auch seinen „Kandidaten für den ältesten Witz: ein vorgetäuschtes Kitzeln.“ Das Spiel eines angedrohten Kitzelns sei auch „der einzige Scherz, den man einem Menschenbaby und einem Schimpansen gleichermaßen erzählen kann“.

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