Donnerstag, 10. Juli 2014

Eine Ausstellung über Kurt Gödel in Wien.

aus Der Standard, Wien,

Die Logik der Unvollständigkeit
Eine Ausstellung über Kurt Gödel zeigt Stationen eines von Erkenntnisgewinn und Angstneurosen getriebenen Lebens.


Wien - Wann immer von Kurt Gödel die Rede ist, taucht wie selbstverständlich auch die Formulierung "der größte Logiker seit Aristoteles" auf. Der Mathematiker Karl Sigmund, der 2006 zum hundertsten Geburtstag Gödels eine große Ausstellung gestaltete, rätselte lange, woher dieser Satz wohl kommen mag. Ob er erst von Douglas Hofstadter im Sachbuch-Bestseller Gödel, Escher, Bach verwendet wurde oder doch schon früher?

Die Antwort fand Sigmund in einem Brief von Moritz Schlick, Gründer des Wiener Kreises, an einen Psychiater, dem er den schwierigen Fall Gödels, der starke Anzeichen von Verfolgungswahn und Angstneurosen hatte, eindringlich ans Herz legte. Schlick zitierte schon damals die Bezeichnung "der größte Logiker seit Aristoteles" - und nannte auch den Mann, der sie erstmals aussprach: Albert Einstein.

Der Physiker war sicher nicht leicht zu beeindrucken. Aber nach der ersten Begegnung mit dem nicht einmal 30-jährigen Gödel war er es. Der junge, eher schweigsame Mann mit Nickelbrille erregte ja damals schon mit seinen beiden revolutionären Unvollständigkeitssätzen Aufsehen und wurde auch erstmals an Einsteins Wirkungsstätte, das Institute of Advanced Study in Princeton in den USA, eingeladen.

Entwicklung der ersten Computer

Während des kommenden Kongresses "Vienna Summer of Logic" (9.-24. Juli) wird eine Kleinfassung von Sigmunds Ausstellung in der Akademie der bildenden Künste gezeigt (15.-24. Juli.). Mit gutem Grund: Gödel hatte mit seinen Arbeiten nicht nur der Mathematik Grenzen gesetzt, sondern auch großen Einfluss auf weitere Entwicklungen gehabt: in der Logik jedenfalls, in der Physik, aber auch in der Philosophie und auch in der Entwicklung der ersten Computer durch Gödels österreichisch-ungarischen Freund John von Neumann und den Briten Alan Turing.

Neue Erkenntnisse über Gödels Leben und Werk sind in der Ausstellung nicht enthalten, gesteht Sigmund. Davon gibt es aber auch nicht allzu viele. Allenfalls Ergänzungen: Sigmund erzählt, dass er kurz nach der großen Ausstellung von 2006 von einer älteren, heute schon verstorbenen Frau angerufen wurde. Sie hatte vom Bruder des Logikers, Rudolf, Briefe vermacht bekommen, die Kurt an ihn während der Flucht vor den Nazis geschrieben hatte. Gödel, der als Vertreter "einer stark verjudeten Mathematik" seine Dozentur verlor, begann im Jänner 1940 mit seiner Frau Adele eine sechswöchige Reise durch die Sowjetunion nach Japan, die beide noch nicht am Zweiten Weltkrieg beteiligt waren, und fuhr dann mit dem Schiff über den Pazifik nach San Francisco. Sigmund: "Gödel schrieb voller Begeisterung von dieser Stadt, sie sei die schönste, die er je gesehen hatte."

Starke Vergiftungsängste

Die Briefe, mittlerweile im Besitz der Wien-Bibliothek, sind für den Mathematiker auch ein Beweis dafür, dass Gödel seine Krankheit, seine "Zustände", zu manchen Zeiten offenbar recht gut unter Kontrolle hatte. Die Paranoia zeigte sich vor allem in einer großen Angst, vergiftet zu werden: Er aß daher nur Speisen, die seine Frau Adele kochte und in seinem Teller und mit seinem Essbesteck vorkostete.


Am Ende der Reise wurde Gödel von seinem Freund, dem Wirtschaftswissenschafter und Spieltheoretiker Oskar Morgenstern, empfangen, der ihn danach fragte, wie das Leben in Wien unter den Nazis war. Gödel soll daraufhin mit seinem bekannten Talent, die Dinge auf den Punkt zu bringen, geantwortet haben: "Der Kaffee ist erbärmlich."

"Der größte Logiker seit Aristoteles" siedelte sich in Princeton an und reiste nie wieder nach Europa. Er erhielt eine Professur und freundete sich eng mit Albert Einstein an, den er auf langen, fast täglichen Spaziergängen begleitete. Zu seinem Spätwerk zählt ein Gottesbeweis mit Mitteln der Logik. Gödels Krankheit verschärfte sich. Er vereinsamte und starb 1978 an Unterernährung - weil ihn seine Frau während eines längeren Krankenhausaufenthalts nicht betreuen konnte.


"Kurt Gödel und die Ursprünge der Logik in Wien" in der Akademie der bildenden Künste Wien. Täglich 15.-24. Juli, 10-18, Eintritt frei

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