Freitag, 16. Mai 2014

Wunderstöffchen.

 
aus scinexx

Neuartiges Plastik repariert sich selbst
Polymermaterial wächst nach und schließt Wunden wie bei einem lebenden Gewebe

Wie ein lebendes Gewebe: US-Forscher haben ein Kunststoff-Material entwickelt, das sich selbst reparieren kann. Wird es verletzt, setzen winzige Kapillaren ein Gel frei, das das Loch füllt und erhärtet. Zum ersten Mal existiert damit ein synthetisches Material, dass neues Gewebe bilden kann wie ein lebender Organismus, so die Forscher im Fachmagazin "Science". Nach diesem Prinzip könnten künftig selbstreparierende Bauteile von der Autostoßstange bis hin zu Komponenten von Raumfahrzeugen produziert werden. 

Auf den ersten Blick sieht die dicke, glatte Plastikfolie auf dem Labortisch an der University of University of Illinois in Urbana-Champaign völlig normal aus. Was man ihr aber nicht ansieht: Noch vor wenigen Stunden hat ein Projektil ein mehr als zehn Zentimeter großes Loch in die Folie gerissen. Diesen Schaden hat der Kunststoff aber von selbst wieder behoben – es ist einfach neuer Kunststoff in die Lücke eingewachsen. "Zum ersten Mal haben wir gezeigt, dass ein strukturelles Polymer verlorenes Material regenerieren kann", sagt Erstautor von Scott White. "Das Material kann tatsächlich wachsen."

Bisher war dies selbst bei sogenannten selbstheilenden Kunststoffen nicht möglich. Zwar können diese Polymere mikroskopisch kleine Risse schließen, indem sie, durch Strom oder Hitze aktiviert, neue Molekülbrücken bilden. Größere Defekte aber, bei denen ganze Teile der Kunststoffmatrix verloren gehen und ersetzt werden müssen, lassen sich damit nicht heilen.



Das Loch ist schon zur Hälfte gefüllt. Rot und blau eingefärbt sind die beiden Gel-Bausteine. Pink das erhärtete Mischmaterial.
Zwei-Komponenten-Gel als Lückenfüller

White und seine Kollegen haben nun jedoch eine Technik entwickelt, die diese Form der autonomen Regeneration ermöglicht. Das Geheimnis hinter ihrer selbstwachsenden Folie: In die Polymer-Matrix eingebettet sind winzige Kapillaren, die mit zwei verschiedenen flüssigen Chemikalien gefüllt sind. Wird dieses System verletzt, treten die Flüssigkeiten aus und fließen in die beschädigte Zone. Dort mischen sie sich und starten dadurch eine chemische Reaktion, die sie zu einem Gel werden lässt – ähnlich einem Zwei-Komponentenkleber, der beim Mischen aushärtet. Gleichzeitig strömt immer mehr Flüssigkeit nach.

"Das Gelmaterial wächst nach und nach einwärts und die gesamte Schadenszone wird durch diesen Prozess des Ausfließens und Erstarrens gefüllt", erklären die Forscher. Weil das Gel dabei ein stabiles Gerüst bildet, lassen sich selbst größere Löcher überbrücken, ohne dass das Material nach unten wegtropft. Ist die Reparatur vollendet, erstarrt das Gel noch weiter und wird zu einem festen Polymer, das das Loch genauso stabil macht wie den Rest des Kunststoffs. Innerhalb von drei Stunden hat sich der Schaden so repariert.



Diese Bildfolge zeigt, wie das Loch im Kunststoff allmählich zuwächst.
An verschiedene Kunststoffe anpassbar

"Wir haben damit demonstriert, dass sich ein nichtlebendiges, synthetisches Material auf ähnliche Weise reparieren kann wie nachwachsendes Gewebe bei Organismen", sagt Koautor Jeffry Moore. Der große Vorteil beim neuen Verfahren: Die winzigen Kapillaren bringen wie Gefäße im Körper die Bausteine für das Ersatzmaterial an die Schadensstelle. Dadurch lassen sich größere Schäden ausfüllen und sogar mehrfache Verletzungen können geheilt werden, sagen die Forscher.

In ihren Versuchen reparierten sich Löcher von bis zu 3,5 Zentimetern Durchmesser selbst, das Ersatzplastik war dabei genauso dick und fast so stabil wie das ursprüngliche Material, wie White und seine Kollegen berichten. Zudem lassen sich die Eigenschaften des Gels auf den jeweiligen Kunststoff und auf die zu erwartenden Schäden anpassen, je nach Material härtet es dann schneller oder langsamer aus.

Einsatz in Bauteilen aller Art

Nach Ansicht der Forscher könnten sich solche selbst-reparierenden Kunststoffe überall dort einsetzen lassen, wo ein Ersatz oder eine Reparatur nur schwer möglich ist, beispielsweise in der Luft- und Raumfahrt. Aber auch alltägliche Objekte wie die Stoßstange von Autos könnten von dieser Technologie profitieren: Nach einem Unfall würde sich die Stange innerhalb kurzer Zeit einfach selbst reparieren.

Bisher haben White und seine Kollegen ihre Methode bereits mit Polymeren aus zwei wichtigen Klassen kommerzieller Kunststoffe ausprobiert. Jetzt wollen sie weitere Gelbausteine entwickeln, um so auch weitere Kunststoffe selbstheilend zu machen. (Science, 2014; doi: 10.1126/science.1251135)

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