Samstag, 19. April 2014

Sternenstaub.

aus Die Presse, Wien, 20. 4. 2014                             shock wave from star known as Kappa Cassiopeiae


Dem Ursprung des Sternenstaubs auf der Spur
Wenn es im All staubt, entstehen Winde. Astrophysiker der Universität Wien haben ein neues Modell entwickelt, um Sternenstaub zu erforschen.

Wir alle sind aus Sternenstaub, heißt es. Tatsächlich stammen wesentliche Elemente des menschlichen Körpers aus dem Inneren von Sternen. Sternenstaub ist insgesamt wichtiger Bestandteil der Materie unseres Sonnensystems. Ein Blick in den Sternenhimmel ist aber nicht nur ein Blick in die Entstehungsgeschichte des Menschen und der Erde. Kosmischer Staub ist zentral für die Evolution des Universums: Er ist für den Massenverlust sonnenähnlicher Sterne bedeutsam und damit für deren weitere Entwicklung.

Den Ursprüngen des kosmischen Staubs auf der Spur sind Wissenschaftler des Instituts für Astrophysik der Universität Wien. „Staub entsteht vor allem in den äußeren Schichten weit entwickelter Sterne, den sogenannten Roten Riesen“, sagt Walter Nowotny, der in der Sternwarte der Universität Wien forscht. Diese Himmelskörper mit großer Ausdehnung und besonders hoher Leuchtkraft stehen daher im Fokus der Wiener Forschergruppe.

Staub ist überall.  


Staub ist im All in verschiedener Form zu finden: Die beobachtbaren schwarzen Bahnen in der Milchstraße enthalten Staubpartikel, die Licht schlucken. Von Dunkelwolken spricht man, wenn Staub das Licht der Sterne blockiert. Und schließlich finden sich präsolare, also aus der Zeit vor der Entstehung des Sonnensystems stammende Staubkörner, in Meteoriten. Sternenstaub wird damit greifbar, wenn er in versteinerter Form auf der Erde landet.
 

Physiker und Mineralogen haben eine eher nüchterne Definition von Staub: „Gemeint sind mikroskopisch kleine Festkörper in der Größenordnung von Mikrometern, die physikalisch, chemisch und mineralogisch charakterisierbar sind“, so Nowotny. Für den Astrophysiker ist Staub vor allem als wichtiger Bestandteil der Materie im Universum von Interesse. Insgesamt macht kosmischer Staub zwar nur rund ein Prozent der Materie im Universum aus. „Sternenstaub ist aber dennoch besonders wichtig, da darin etwa die Hälfte der schweren Elemente gebunden ist: Staubpartikel „transportieren“ etwa Masse oder Impuls und sind damit entscheidend für verschiedene physikalische Effekte“, so Nowotny. 

Bildet sich ein Staubkorn in den äußeren Schichten eines Roten Riesen, wird es durch die Strahlung im Stern-inneren wegkatapuliert. Die Teilchen übertragen dabei den Impuls auf die benachbarten Gasteilchen. Dabei entstehen Winde mit einer Geschwindigkeit von etwa 15 Kilometern pro Sekunde – das sind 54.000 Kilometer pro Stunde. Möglich ist das nur unter den speziellen Bedingungen, wie sie in den Atmosphären der Roten Riesen vorherrschen: hohe Dichten und zugleich niedrige Temperaturen. Niedrige Temperatur bedeutet dabei etwa 1500 Kelvin, das sind rund 1200 Grad Celsius. „Nur unter solchen Bedingungen können sich Atome zu Molekülen zusammenschließen und Staubkörner bilden.“

Zukunft der Sonne.
 


Wird Materie weggeschleudert, ergibt sich daraus ein enormer Massenverlust für den Stern. In ihrer Entwicklung haben Rote Riesen ein Endstadium sonnenähnlicher Sterne erreicht. „Sie zu beobachten ist damit zugleich ein Ausblick in die Zukunft unserer Sonne“, so Nowotny. Wird Materie in großen Massen ins All katapultiert, bleibt als Rest ein sogenannter Weißer Zwerg. Er ist stark komprimiert und leuchtschwach. Ein Blick in die Zukunft, die für menschliche Maßstäbe noch in weiter Ferne liegt: „Der Lebenszyklus der Sonne dauert mehr als zehn Milliarden Jahre, aktuell ist die Sonne circa fünf Milliarden Jahre alt.“ Halbzeit für die Sonne also.

Für ein möglichst rundes Gesamtbild nähern sich die Forscher dem komplexen Thema aus drei Perspektiven: Sie beobachten mit Teleskopen, arbeiten im Labor und führen Modellrechnungen am Computer durch. „Erst das Zusammenspiel der Methoden erlaubt ein tieferes Verständnis der Vorgänge im Weltall“, sagt Nowotny. Auch wenn das Projektziel – den Ursprung des kosmischen Staubs besser zu verstehen – wie ein „winziger Puzzlestein“ wirkt: Gemeinsam mit vielen anderen sollen die Erkenntnisse ein besseres Bild vom Universum ergeben.

Für solche Beobachtungen sind spezielle Weltraumteleskope notwendig, da die Phänomene nicht durch die Erdatmosphäre beobachtbar sind. „Rote Riesen haben sehr typische Spektren. Das beobachtbare Licht ist dabei durch die Moleküle und Staubteilchen in den kühlen Atmosphären der Sterne geprägt “, so Nowotny. Die Infrarotspektroskopie ist das Werkzeug, um den Sternenstaub physikalisch zu untersuchen. Denn: Staub ist nicht gleich Staub. Auch im All gibt es unterschiedliche Arten, die Mineralogen unter die Lupe nehmen. In den Sternwinden bilden sich verschiedene Mineralien. Bei den Roten Riesen häufig sind etwa silikatische Mineralien, die man auch auf der Erde findet, zum Beispiel Olivine.

Modelle am Computer.  


Schließlich modellieren die Forscher am Computer, wie sich die Staubbildung auf die beobachtbaren Spektren der Sterne auswirkt. Hier setzt Nowotny den Fokus seiner Arbeit: „Die Simulation erlaubt uns besondere Einblicke“, sagt er und wählte dazu einen neuen Zugang: Bei bisherigen Untersuchungen lag der Fokus entweder auf der staubfreien Sternatmosphäre oder der Windregion weit entfernt vom Stern. Anhand von Modellen, die alle relevanten Sternschichten berücksichtigen, bildete Nowotny am Computer Sternspektren nach, die möglichst nahe an der Realität sind. Dazu nutzte der Wiener Astrophysiker verschiedene Modellierungsansätze. Einmal standen Fragen zur Mineralogie im Vordergrund: Welche Staubart entwickelt sich wo und mit welcher Teilchengröße? Und: Wie zeigen sich die verschiedenen Staubarten in den Infrarotspektren?

Pulsierende Sterne. 


In einem zweiten Ansatz berücksichtigte Nowotny auch die Pulsation im Sterninneren, ihre Effekte auf die atmosphärischen Schichten und das Licht, das ins All dringt. „Mit den neuen Computermodellen lassen sich nicht nur dynamische Aspekte wie die Entstehung von Wind nachstellen, sondern es können auch sehr charakteristische Eigenschaften der Roten Riesen wie etwa deren Lichtvariationen bei verschiedenen Wellenlängen simuliert werden.“ Stimmen die Details mit den Beobachtungen überein, erlaubt dies Rückschlüsse, ob ein physikalisches Szenario zutrifft. Mit seinem Modell der Simulation von Sternatmosphäre, Staubbildung und Wind hat Nowotny den Spielraum für Weltraumuntersuchungen am Computer jedenfalls erweitert.

Rote Riesen sind besonders helle, kühle und große Sterne. Sie entwickeln sich aus mit unserer Sonne vergleichbaren Sternen.
Massenverlustbedeutet bei sonnenähnlichen Sternen, dass sich in ihren äußeren Schichten Staubpartikeln bilden und ins All geschleudert werden. Die Teilchen übertragen dabei den Impuls auf das Gas in der Umgebung. Dadurch entstehen starke Winde.

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