Donnerstag, 26. Dezember 2013

Ist das Altern vermeidlich?

aus Der Standard, Wien, 21.12.2013

Forscher machen alte Mäusekörper jung
Möglicher Durchbruch im Kampf gegen das Altern: Die im Mäuseversuch getestete Substanz war so erfolgreich, dass sie bald auch am Menschen erprobt werden soll

von Klaus Taschwer, 

London/Wien - Altern ist, wie so vieles andere im Leben, auch eine Frage der Kommunikation. Ein internationales Forscherteam hat nun einen entscheidenden Signalweg innerhalb der Zellen entschlüsselt, der mit dem Alter schlechter wird. Doch nicht allein das: Sie haben an Mäusen einen Wirkstoff getestet, der diese Kommunikation in den Zellen wieder schlagartig verbessern kann.
    Konkret geht es um einen Signalweg zwischen den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, und dem Zellkern. Im Laufe der Zeit nimmt eine bestimmte Form der Kommunikation zwischen diesen Bereichen ab - was zur Zellalterung führt, unter anderem zu Muskelgewebsschwund und Entzündungen.

    Eine Schlüsselrolle kommt dabei einem Molekül zu, das den komplizierten Namen Nicotinamidadenindinukleotid trägt, eigentlich Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (kurz NAD). Sinkt die Menge von NAD in Zellen ab, verschlechtert sich die Kommunikation zwischen Zellkern und Mitochondrien. Und das bedeutet nichts anderes, als alt zu werden.

    Das Team um Harvard-Forscher David Sinclair wollte diesen NAD-Signalweg bei alten Mäusen wieder "verjüngen". Sie injizierten zwei Jahre alten Mäusen - das entspricht in etwa 60-jährigen Menschen - eine Woche lang zweimal täglich eine Substanz namens Nicotinamidadeninmononukleotid (kurz NMD), vor der man weiß, dass sie die Produktion von NAD ankurbelt.

    Das Resultat war erstaunlich: Die Mäuse zeigten bei den spezifischen Altersmarkern für Muskelgewebe und Entzündungen plötzlich Werte von sechs Monate alten Tieren. Auf den Menschen umgelegt würde das eine "Verjüngung" von sechzig auf zwanzig Jahre bedeuten.

    Die im Fachblatt "Cell" publizierten Versuche waren so Erfolg versprechend, dass daran gedacht ist, die Substanz möglichst bald auch beim Menschen zu testen. Mit dem Beginn klinischer Erprobungen sei spätestens 2015 zu rechnen, da NMD eine natürlich vorkommende Substanz ist und wenig Nebenwirkungen haben sollte.

    Ko-Autor Nigel Turner sieht im Interview mit der britischen Tageszeitung The Guardian jedenfalls ein großes Potenzial für den Ansatz, zumal der Signalweg auch bei Krankheiten wie Demenz, Krebs oder Diabetes bedeutsam ist. Das Ziel der Forschung sei es im Übrigen nicht, dass Menschen 200 Jahre alt werden, sondern dass sie länger gesund bleiben.

    Dass die "Wunderpille" so bald auf dem Markt kommen wird, glaubt er indes nicht: Im Moment käme eine Tagesration NMD für Menschen auf umgerechnet rund 40.000 Euro.

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